Satirische Filmkritik, Film-Satire, Kino-Satire – Zeitraffer.ch

Unsichere Einwanderung ohne Bankkonto.

Escape to Paradise

auch bekannt als: das einfache Billet retour Jahr: 2001 Regie: Nino Jacusso mit: Walo Lüönd, Düzgün Ayhan

Nino Jacussos Film zeigt einen möglichen Weg zum Aufenthaltsrecht in der Schweiz: eine Biographie mit Flugblättern politischen Inhalts, Geheimpolizei, Verhaftung, Folter. Repräsentative Untersuchungen, die auf einer methodischen Auswertung der letzten 20 Jahre Asylpraxis beruhen, empfehlen allerdings eine weit zuverlässigere Methode.

Die beste Methode: Wer sich länger in der Schweiz aufhalten will, soll Inhaber mehrerer Schweizer Bankkonten werden. Natürlich stellt sich die Frage, wie z.B. ein Kurde in Kurdistan zu Schweizer Bankkonten kommt. Nun, das neue Instrument des sogenannten «Baby Credit» stösst hier doch Tore auf. Bekanntlich erhält jedes Schweizer Neugeborene automatisch Konten bei Schweizer Grossbanken und/oder Versicherungen geschenkt. Bis zum 6. Lebensjahr aber ist es Babies in der Schweiz untersagt, Geldgeschäfte zu tätigen. Hier springt nun der «Baby Credit» ein. Entsprechende Konten werden für die entsprechende Dauer einem Drittinhaber zu günstigen Konditionen vermietet.

Wie aber erfährt ein Afrikaner in Afrika von solchen Konten? Nun, es gibt heute verschiedene seriöse Finanz-Partner, die solche Konten per Internet anbieten. Wie aber gelangt ein Nomade in Kirgisien ans Internet? Dieses Problem wird die Weltbank in Kürze lösen. Im weiteren haben bereits mehrere seriöse Finanz-Partner Satelliten in der Umlaufbahn, welche potentielle Kunden überall auf der Welt zu erkennen vermögen. Ein potentieller Kunde muss sich lediglich an einen gut einsehbaren Ort vor seiner Behausung stellen und das entsprechende Handzeichen für das entsprechende Finanzgeschäft mehrfach deutlich wiederholen. Die entsprechenden Handzeichen können gratis von Internet heruntergeladen werden.

Ist der Kurde oder Afrikaner nun also glücklicher Kontoinhaber, begibt er sich im Anzug, mit Aktenkoffer und mit mehreren zum Konto gehörigen Kreditkarten in die Schweiz. Als Aufenthaltsgrund nennt er «Finanzgeschäfte». Die Erfolgsquote dieser Methode ist verblüffend. Im Fall aber, dass er trotzdem Probleme mit einer Behörde bekommen sollte, genügt es, immer den folgenden Satz zu wiederholen: «Welch eine Frechheit – nun muss die Muttergesellschaft die Investition in mehrstelliger Millionenhöhe auf einem andern Finanzplatz tätigen!» («mehrstellige Millionenhöhe» gut einprägen und bei hartnäckigen Beamten mehrfach wiederholen) Innert Kürze wird ein Regierungsrat samt Gattin erscheinen und den Kontoinhaber in ein Nobelrestaurant komplimentieren, wobei letzterer während des ganzen Essens nichts zu sagen, sondern nur ab und zu nachsichtig mit dem Kopf zu nicken braucht.

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Madma • 1. Juni 2001


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