Satirische Filmkritik, Film-Satire, Kino-Satire – Zeitraffer.ch

Sie sind unser Held, Herr Präsident.

Air Force One – vergebliche Feindpropaganda

Kategorie: die schlechtesten Filme aller Zeiten auch bekannt als: ab heute wird zurück geschossen Jahr: 1997 Kategorie: Feind hört mit Regie: Wolfgang Petersen mit: Harrison Ford, Gary Oldman, Glenn Close, Xander Berkeley, William H. Macy

Der Film verdankt seine Entstehung der Erkenntnis, dass Kriegs- und Feindpropaganda auch in Friedenszeiten notwendig ist. Trotz seiner diesbezüglichen grossen Verdienste muss er leider auf die Liste der schlechtesten Filme gesetzt werden.

Die Studie einer unabhängigen PR-Firma stellte nämlich fest – unter Auswertung der frühen Öffentlichkeitsarbeit der Nazis wie auch der ausgereiften Produkte der Propaganda-Abteilungen nach dem Weltkrieg – dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Feindbilder schon nach weniger als vier Jahren zu vergessen beginnen, wenn man sie ihnen nicht regelmässig einpaukt. Der militärisch-industrielle Komplex der USA nimmt die Studie sehr ernst. Er wollte sich Verdienste für das nächste Leben sichern und finanzierte den vorliegenden Film.

Das müsste nicht besonders gewürdigt werden, wäre der Film kurz nach der Invasion in der Schweinebucht und der Kubakrise im Jahr 1962 entstanden: in dieser Zeit war es für alle aufbauenden, freiheitlichen Kräfte eine Selbstverständlichkeit, bei der Vernichtung der lebensfeindlichen roten Mächte mitzuhelfen – mit allen Mitteln, inklusive der Kunst, die entgegen anderer Behauptungen durchaus bestimmte wichtige Aufgaben hat (siehe auch dieser Blog – hust hust). Im Jahr 1997 aber, als der Film auf den Markt kam, war diese Solidarität der Guten leider verschwunden. Der Film kämpfte nun ziemlich alleine um die Wiederherstellung des Feindbildes, um die Rückbesinnung auf die Gefahr aus dem Osten und um die lebenswichtige Einsicht, dass die guten Mächte neue, bessere Waffen brauchen. Eindringlich wird in Erinnerung gerufen, was der Mehrheit schon nicht mehr klar vor Augen stand: der Hort der Freiheit wird durch den US-Präsidenten verkörpert, einen durch und durch ehrlichen, moralischen, familienliebenden, loyalen und unbesiegbaren Menschen. Auch die absolute Niederträchtigkeit der östlichen Feinde musste leider, nur wenige Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges, den Bürgerinnen und Bürgern wieder klar gemacht werden. Während weite Kreise von einer neuen Weltordnung schwafelten, half der Film der Öffentlichkeit, sich zu besinnen: die neue Weltanschauung kennen wir nicht, die alte war solide und hat’s auch getan. Eine neue ist zudem teuer, und wer bezahlt den Preis dafür?

Und wer beschützt ganz allein die Kleinfamilie?

Und wer beschützt ganz allein die Kleinfamilie?

Trotz vieler Auszeichnungen und aller Begeisterung entbrannte nach dem Kinostart ein Streit zwischen der Produktionsfirma und den Sponsoren der Waffenindustrie. Die Sponsoren bestanden darauf, dass der Finsterling am Schluss, beim Sturz aus dem Flugzeug, nicht sterben solle, sondern auf amerikanischem Boden lande, worauf die nationale Alarmstufe heraufgesetzt werden müsse. Die Produktionsfirma hingegen beharrte auf ihrer langjährigen Erfahrung, wonach am Schluss das Vorrücken amerikanischer Panzer, das Vordringen amerikanischer Kampfflugzeuge in den Luftraum der teuflischen asiatischen Horden und die glückliche Rückkehr des Präsidenten in den Schoss der Familie stehen müsse.

Dieser unselige Streit ist der Grund, warum der Film trotz seiner unzweifelhaft grossen Verdienste leider auf die Liste der schlechtesten Filme gesetzt werden muss. Der Streit eskalierte soweit, dass die geplanten Fortsetzungen – Air Force Two bis Six, Kinostart alle drei Jahre – gestrichen wurden. Das war erstens eine bittere bittere Enttäuschung für alle Filmfans. Und zweitens muss heute wegen dieser unsinnigen Streiterei das Gesamtprojekt der Wiederherstellung des alten Feindbilds als gescheitert bezeichnet werden, was zur bekannten Orientierungslosigkeit weiter Teile der Bevölkerung beigetragen hat.

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Madma • 19. April 2001


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